Das Wunder der Achtsamkeit

„Mindfulness is the awareness that arises by paying attention, on purpose, in the present moment, and non-judgmentally.“ Jon Kabat-Zinn

Woran denkst du gerade? Wenn du dir mehrmals am Tag die Frage stellst, woran du gerade denkst, wirst du merken, dass du meistens nicht im Moment bist. Häufig denkst du an etwas aus der Vergangenheit oder etwas, das in der Zukunft sein wird, du bist besorgt, machst Pläne etc. Oft ist dir gar nicht bewusst, was du genau in diesem Moment fühlst, wie sich dein Körper anfühlt, wo deine Gedanken sind. Achtsamkeit, auf Englisch „Mindfulness“, bedeutet, mit unserer gesamten Aufmerksamkeit in genau diesem Moment zu sein, ohne zu beurteilen. Achtsamkeit ist mehr als nur ein Wort, sondern viel eher ein Bewusstseinszustand, den wir trainieren können.

Achtsamkeit

Ursprünge der Achtsamkeit

Die Ursprünge der Achtsamkeit liegen im Buddhismus. Tatsächlich gibt es aber in vielen Religionen ähnliche Praktiken, in denen es schlichtweg darum geht, in Ruhe und Entspanntheit zu sitzen, zu atmen und den Geist zu beruhigen. Die Achtsamkeit bietet jedoch viele verschiedene Möglichkeiten der säkularen Meditation, was sie für breitere Zielgruppen interessant macht. Der Begründer der säkularen Achtsamkeit ist zweifellos Jon Kabat-Zinn. Er ist auch der Begründer der sogenannten „Mindfulness Based Stress Reduction“ kurz MBSR. Dies ist ein wissenschaftlich erprobtes Programm, das nachweislich Depressionen, Schmerz und Angststörungen lindert.

Wie kannst du achtsam sein?

Wie können wir Achtsamkeit üben? Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten achtsam zu sein. Die Kernmeditationen aus MBSR sind die  Atemmeditation, der Bodyscan, die Metta-Meditation, die Gehmeditation und auch achtsames Yoga. Außerdem können wir uns im achtsamen Essen üben und versuchen alltägliche Tätigkeiten ganz bewusst achtsam auszuführen. Das MBSR Programm nach Jon Kabath-Zinn dauert 8 Wochen. Wie beim Sport: Je mehr wir üben, desto mehr Erfolg haben wir mit den Meditationen und Auswirkungen der Achtsamkeitsmeditationen. Es wird nämlich empfohlen in diesem Zeitraum mehrmals wöchentlich zu meditieren.

Glücksübung 5: achtsames Atmen

Eine der effektivsten Achtsamkeitsübungen ist achtsames Atmen. Jeder kann das ausprobieren, schließlich atmen wir alle. Nimm dir eine Woche täglich 15 Minuten für achtsame Atmung Zeit. So geht es:

  1. Suche dir eine angenehme Position. Du kannst dich auf einen Sessel oder auf einen Meditationspolster auf den Boden setzen. Richte deinen Rücken entspannt auf, lege deine Hände in eine entspannte Position. Auch deine Zunge liegt entspannt im Mund.
  2. Nimm deinen Körper ganz bewusst wahr. Nimm die Schwere deines Körpers am Sessel, am Boden, am Sofa wahr und wie du hier sitzt. Entspanne dich. Gibt es Stellen in deinem Körper, die besonders angespannt sind? Entspanne diese und atme.
  3. Atme ein und aus, ganz bewusst ohne dich anzustrengen. Du brauchst nichts, um zu atmen. Atme nicht zu lang, nicht zu kurz, einfach in deinem ganz normalen Atemrhytmus. Wo fühlst du deinen Atem? Vielleicht in den Nasenlöchern? Oder in der Brust? Oder im Bauch?
  4. Vielleicht merkst du, dass deine Gedanken schon wieder wo anders sind? Das ist ganz normal, das passiert jedem von uns. Beurteile das nicht. Nimm es einfach wahr, nach dem Motto: aha, Ich denke. Dann konzentriere dich wieder auf deine Atmung.
  5. Atme ein paar Minuten. Danach konzentriere dich auf deinen Körper. Entspanne dich vollkommen.

Verändert Meditation das Gehirn?

Neurowissenschaftler und Anhänger der Neuroplastizität gehen davon aus, dass sich unser Gehirn im Laufe der Zeit verändert, abhängig von unseren Aktivitäten. Kann daher Meditation zu Veränderungen im Gehirn führen? Dazu gibt es einige Studien, zB von Antoine Lutz und Richie Davidson. Sie zeigten auf, dass bestimmte Regionen im Gehirn nach der Meditation wesentlich dichter miteinander verbunden und reaktionsfähiger sind. Erwähnt sei hier die sogenannte Inselrinde, ein Teil der Großhirnrinde. Es wird angenommen, dass diese als Zentrum für auditives Denken dient, empathische Fähigkeiten und interozeptives Bewusstsein begünstigt.

Mehr graue Zellen durch Meditation

Aus dem Jahr 2013 gibt es eine Studie, die die grauen Zellen im Gehirn, genauer gesagt, im Hippocampus, gemessen hat. Dabei wurden 50 Personen, die regelmäßig meditieren und 50 Personen, die nicht meditieren untersucht. Die Gehirnscans zeigten, dass die Personen, die regelmäßig meditieren mehr graue Zellen im Gehirn haben, als die anderen. Graue Zellen enthalten viele Neuronen. Die Regionen werden in Zusammenhang gebracht mit Emotionen, Emotionsregulierung, Bewusstsein, Erinnerungen. Wir sehen: Ja, Meditation führt zu einer strukturellen Veränderung im Gehirn, dies wiederum beeinflusst unser Verhalten, unsere Interaktion mit anderen, unsere Gefühle als auch wie wir uns selbst und unsere Umwelt wahrnehmen.

Studien zur Achtsamkeit

Es gibt eine Unzahl an wissenschaftlichen Studien, die sich mit dem Thema Achtsamkeit, MBSR und Meditation beschäftigen. Ich möchte einige abrissartig vorstellen:

  • Jon Kabat-Zinn hat im Jahr 1982 das Programm Mindfulness Based Stress Reduction entwickelt. Dabei hat er Patienten mit chronischen Schmerzen beobachtet, die an einem 10-wöchigen MBSR-Training teilnahmen. Er fand heraus, dass 65% der Patienten, die an chronischem Schmerz leiden eine 33%ige und 59% der Patienten eine 50%ige Schmerzreduktion empfanden. Weiter machte er eine ähnliche Studie mit Patienten, die unter Schuppenflechte litten – auch hier kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Hautkrankheit. Jon Kabat-Zinn und Richie Davidson führten eine weitere Studie mit Technologiearbeitern ohne Meditationserfahrung durch. Sie fanden heraus, dass MBSR-Trainings zu einem robusteren Immunsystem führen.
  • Bei einer Langzeitstudie von Barb Fredrickson von der University of North Carolina nahmen Teilnehmer an einem siebenwöchigen Kurs mit dem dem Schwerpunkt Loving-Kindness-Meditation (Metta-Meditation) teil. Hier geht es darum mitfühlende, freundliche Gedanken an andere Personen zu schicken. Die Gefühle der Teilnehmer wurden über den Zeitraum gemessen, sie entwickelten positivere Emotionen und mehr Zufriedenheit als die Testgruppe, die nicht an den Meditationen teilnahm.
  • Eine andere Studie von Margaret Kemeny und Paul Ekman, beschäftigte sich mit der Auswirkung eines speziellen Achtsamkeitstrainings für Lehrer. Bei den, am Programm teilnehmenden Lehrern aus San Francisco, wurde eine Reduzierung von Depression, Selbstkritik und Feindseligkeiten gemessen, als auch stabilere soziale Beziehungen.
  • Eine Untersuchung des JAMA, Journal of the American Medical Association hat sich damit beschäftigt, wie sich Achtsamkeit auf Angst, Schmerz und Depression auswirkt. Die Forscher kamen zum Schluss dass Achtsamkeit dabei hilft Angst, Schmerz und Depression zu reduzieren. Auch Jon Kabat-Zinn kommt in seinen frühen Untersuchungen zum Ergebnis, dass Achtsamkeit Stress und Depressionen reduziert.
  • Der britische Psychologe John D. Teasdale hat Ansätze der Achtsamkeit in seiner kognitiven Verhaltenstherapie integriert. Dabei kam er zu dem Resultat, dass das Risiko rückfällig zu werden für Patienten mit Majordepression, 50 % niedriger ist, wenn sie an der von ihm entwickelten „Achtsamkeitsbasierten Kognitiven Therapie“ teilnehmen.
  • Blaine Ditto von der McGill University brachte eine Studie heraus, in der die Herzfrequenz sowie kardiale respiratorische Sinusarrhythmie also die Schwankung der Herzfrequenz und Blutdruck während der Meditation gemessen wurden. Sie fand heraus, dass es zu deutlich weniger Schwankungen der Herfrequenz kommt, bei Leuten, die meditieren oder andere beruhigende Tätigkeiten machen.
  • Forscher haben außerdem herausgefunden, dass Menschen, die ständig gestresst sind, kürzere Telomere haben. Telomere sind die Enden linearer Chromosomen, sie bestehen aus repetitiver DNS und assoziierten Proteinen. Dies führt zu höheren Entzündungswerten im Körper als auch schnellerem Zellsterben. Personen, die regelmäßig meditieren hingegen haben längere Telomere. Diese wiederum führen zu einem verlangsamten Alterungsprozess. Erstaunlich, welche Auswirkungen Achtsamkeit und Meditation auf unseren Körper und folglich unser Wohlbefinden, hat!

Praxis ist wichtig

Das war ganz schön viel Information! Wir sehen: Achtsamkeit und Meditation haben umfangreiche Auswirkungen auf Körper und Geist. Daher: Probiere es doch einfach aus. Sei achtsam, aber mach dir keinen Stress dabei. Wichtig ist, ähnlich wie beim Sport, die Kontinuität der Übungen. Es wird daher empfohlen regelmäßig zu meditieren oder regelmäßig Achtsamkeitsübungen in den Alltag einzubauen. Dann ist der Effekt besser. Falls du etwas mehr in die Welt der Achtsamkeit eintauchen möchtest, dann empfiehlt sich auch ein MBSR-Kurs. In den meisten Städten gibt es Möglichkeiten diese zu besuchen. Es lohnt sich.

Quelle und Inspiration:
Alle Übungen sind inspiriert durch den Kurs „Science of Happiness“ 
organisiert vom Greater Good Science Center der UC Berkeley

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